„Es ist wichtig für unsere Jobs, dass wir mitbestimmen“
Betriebsratswahl 2022
Zur Betriebsratswahl 2022 traten viele neue Kandidat*innen für das Team IG Metall an. Sie sind im Schnitt jünger, weiblicher, mehr Kaufleute und Ingenieure. Sie wollen mitgestalten, um ihre Zukunft zu sichern. Wir sprachen mit Nicole von Geldern und Jan Strutz vom Gabelstaplerbauer STILL in Hamburg.
Ihr habt beide erstmals für den Betriebsrat kandidiert. Warum?
Nicole von Geldern: Es hat sich in den letzten Jahren viel bei uns verändert. Vor sechs Jahren waren wir im Einkauf gemeinsam mit der Entwicklung die ersten, die von der CTO [Central Technology Organization] betroffen waren: Zentralisierung von Bereichen. Verlagerungen von Zuständigkeiten. Früher hatten wir kurze Dienstwege und schnelle Prozesse. Jetzt ist alles sehr langwierig. Nach sechs Jahren sind wir immer noch im Findungsprozess, die Prozesse sind immer noch nicht angepasst. Deshalb wollen wir Einfluss nehmen und mitgestalten.
Jan Strutz: Jetzt läuft schon die nächste Restrukturierung unter dem Stichwort KION ITS EMEA. Die Idee des Unternehmens, es durch Nutzung von Synergien besser zu machen und durch eine neue Positionierung der Marken eine größere Marktabdeckung zu erreichen, leuchtet ja erst mal ein. Aber die Tücken stecken im Detail – und wenn man „top down“ umstrukturiert, ohne die Beschäftigten zu beteiligen, dann erreicht man unter Umständen nicht das bestmögliche Ergebnis. Die Kommunikation läuft zu häufig einseitig von oben nach unten. Informationen von der Basis kommen dagegen nur gefiltert oben an. Ich wünsche mir, mitgestalten zu können. Still ist ein guter, sympathischer Arbeitgeber. Aber es geht besser, wenn man gehört wird, anstatt vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.
Aber warum müsst Ihr zum Mitgestalten in den Betriebsrat?
Nicole von Geldern: Früher konnten wir auf der Arbeitsebene mitgestalten. Jetzt jedoch sind die Entscheidungen auf eine höhere Hierarchieebene verlagert. Diskussion auf Augenhöhe finden nur wenig statt. Ich habe bei uns im Einkauf Dinge angesprochen, die nicht funktionieren. Das kam nicht gut an. Der Betriebsrat hingegen hat Treffen mit uns Beschäftigten organisiert, uns als Experten unserer Arbeit beteiligt und auch einige unserer Vorstellungen durchgesetzt.
Jan Strutz: Ich habe mich zunächst eher im Stillen mit den Veränderungen auseinandergesetzt, aber mit der Zeit auch immer mehr zu Wort gemeldet, über Kommentare im Intranet und Diskussionen mit einzelnen Personen. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, dass sich viele Kolleginnen und Kollegen nicht so recht trauen, ihre Meinung und ihre Erfahrungen offen zu äußern, sich jedoch freuen, wenn diese Dinge mal stellvertretend angesprochen werden. Daraus ist letztendlich die Idee entstanden, mich beim Betriebsrat einzubringen, weil ich auf diese Weise nicht nur als Einzelperson unterwegs bin, sondern in einem offiziellen Rahmen für die Interessen meiner Kolleginnen und Kollegen eintreten kann, speziell auch in der Entwicklung.
Wie kam Eure Kandidatur bei Euren Kolleginnen und Kollegen in der Entwicklung und im Einkauf an? Oft sind ja Betriebsrat und Gewerkschaft dort nicht so Thema.
Jan Strutz: Ich bekam durchweg positive, ermutigende Rückmeldungen. Die Kolleginnen und Kollegen kannten mich ja schon von meinen Kommentaren. Viele verspüren Frust oder Machtlosigkeit, äußern das aber nur ungern. Diese Kolleginnen und Kollegen freuen sich, wenn sich jemand mit einer ähnlichen Meinung zu Wort meldet und fühlen sich ermuntert, sich ebenfalls zu beteiligen. Ja, für Ingenieure sind Betriebsrat und IG Metall nicht so im Fokus und sie beteiligen sich oft auch wenig an Aktionen. Bei mir war das früher auch so: Ich habe den Betriebsrat und die IG Metall zwar schon immer positiv wahrgenommen, aber nicht von Anfang an Kontakt gesucht. Jetzt jedoch bin ich auch gerade in die IG Metall eingetreten.
Nicole von Geldern: Ich bekam auch durchweg positives Feedback. Ich habe mich schon immer für den Betriebsrat und die IG Metall interessiert. Von den Umstrukturierungen sind wir alle voll betroffen. Es ist wichtig für unsere Jobs, dass wir mitbestimmen.
Ihr seid jetzt beide als Nachrücker für den Betriebsrat gewählt worden und wart auch schon öfter in Betriebsratssitzungen dabei. Was sind Eure Ziele? Was wollt Ihr bewegen?
Nicole von Geldern: Wir brauchen wieder einen offenen Dialog und müssen uns gemeinsam Prozesse anschauen. Wir Beschäftigten hätten Ideen, wie es besser läuft – und auch die Erfahrung. Langsam merkt die Geschäftsleitung auch, dass ihre Pläne nicht funktionieren, etwa bei uns im Einkauf: Sie haben sich an der Autoindustrie als Vorbild orientiert und Manager von dort eingestellt. Aber das Vorbild passt bei uns nicht. Wir brauchen eine andere Lieferantenstruktur.
Jan Strutz: Ich arbeite jetzt im IT-Ausschuss des Betriebsrats mit, zu Themen wie Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und der damit verbundenen Mitbestimmung. Aber mir geht es auch um strategische Fragen zur Zukunft unseres Standorts. Die hängt nicht nur davon ab, ob Produkte verlagert werden, sondern auch welche Produkte wir für die Zukunft entwickeln. Das ist entscheidend, um langfristig den Erfolg unseres Standorts zu sichern.